So fand es die Presse

Ausverkaufte Lesung im Lÿz
(Siegener Zeitung)
Das war abzusehen: Wer den ehemaligen Chefredakteur Deutschlands einzig wahrer Satirezeitschrift „Titanic“ zu einer Lesung einlädt, kann mit vollem Haus und rasendem Applaus rechnen. Thomas Gsella streute gewohnt flapsig seine erschütternd treffsicheren Pointen ins Publikum, das laut und anhaltend, manchmal gar schenkelklopfend lachen konnte – Reaktionen, die bei anspruchsvoller Komik sonst eher selten sind, doch konnte das vorwiegend studentische Publikum es bei den frechen Texten und skurrilen Gedichten nicht bei wissendem Lächeln und Nicken oder einer schnell weggewischten Lachträne belassen.
Gsella conferencierte so schön sarkastisch aus seiner Befindlichkeit als deutscher Satire-Autor, „Titanic“-Redakteur oder als Lese-Reisender, dass keine Minute langweilig war, die Zeit der Abendveranstaltung wie im Fluge verging. „Ich lese dann erstmal meine rund 800 Gedichte, und dann noch ein paar kürzere Texte“, versprach der 1958 in Essen geborene Joachim-Ringelnatz-Förderpreisträger zu Beginn.
Dass es dann doch schon nach gut zwei Stunden zu Ende war, bedauerten alle, die gerne noch viel mehr der bissigen Glossen aus „Titanic“-Tagen oder absurde Verse über deutsche Städte oder Berufe gehört hätten – und zu zwei Zugaben ließ sich der gefeierte Spaßpoet denn auch beklatschen.
„Nennt mich Gott“ lautet der Titel seiner neuesten Gedichtsammlung, aus der er reichlich vorlas, ebenso wie aus der vorletzten Buchveröffentlichung, auch aus diesem Jahr, in der freche Gedichte versammelt sind, die das Väter-Töchter-Verhältnis ironisch untersuchen. Stets erweist sich Gsella dabei als Könner klassischer Metrik und Rhetorik, wenn er den überforderten und augenscheinlich unterbelichteten Vater sich in den eloquent formulierten, metrisch hübsch alternierend rhythmisierten Fangfragen des neunmalklugen Töchterleins verlieren lässt. Oder Gsella kolportiert mit derben Pointen in vollendet gereimten Drei-Strophern peinliche Klischees über Polen, Italiener oder andere europäische Landsleute – und legt durch diesen Kunstgriff den Finger in die Wunde deutscher Befindlichkeiten und Vorurteile gegenüber Fremden. So taugt der Finne laut Gsella wenig, denn: „Der Finne ist für nichts gemacht als fürs In-Finnland-Wohnen“.
Niemand wird von Gsella verschont, nicht die Piloten, nicht die Bauern und nicht einmal die Lehrer, obwohl der an Robert Gernhardt und der Neuen Frankfurter Schule gewachsene Reimer fast selber einer geworden wäre, hat er doch sein Erstes Staatsexamen erfolgreich mit einer Arbeit zu Rainer Maria Rilke abgeschlossen. Zahnärzte, die ihm sein galliges Gedicht über deren sadistische Berufsgenossen übel nahmen, wünschten sich Gsella auf den eigenen Behandlungsstuhl, damit er erfahre, was richtige Schmerzen seien.
Doch der erfolgreiche Autor lässt sich nicht drohen oder einschüchtern, schon für den Winter ist die übernächste Veröffentlichung geplant, aus der er Auszüge im Lÿz vorab verlas. Im Stil von Reich-Ranickis „Frankfurter Anthologie“ stellt Gsella parodierend unter dem Titel „Offenbacher Anthologie“ typische Lyrikinterpretationen und Interpretatoren vor, wenn etwa ein Günter Grass das vor Schreibfehlern wimmelnde, unsäglich dumme Geschreibsel eines Models über den grünen Klee lobt und scheinbar genauso ernst nimmt wie er von der Schönheit der jungen „Lyrikerin“ begeistert ist. Das Publikum war begeistert von Gsella – und das zu Recht.
Begeistertes Publikum
(Braunschweiger Zeitung)
Dem Wunsch nach Zugaben wurde stattgeben, jedoch wurde Gsella mit der Zeit immer unsicherer, ob er das Buch überhaupt empfehlen könne. ‚Das ist alles ziemlich schlecht’, waren seine Worte bei der Suche nach Gedichten für einen kleinen Zuschlag.
So ironisch-selbstkritisch Gsella, der nebenbei für das Spiegel-Online Magazin schreibt, auch sein mag, so fasziniert und begeistert war das angereiste Publikum, das nach Ende der Lesung noch eifrig Bücher signieren ließ.“ (Braunschweiger Zeitung)
Wo es hart hergeht
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Ein Sommertag im hessischen Hinterland, ein Bierzelt und viele Fußballfans, die während der Europameisterschaft des Jahres 1996 dem Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Russland entgegenfiebern. Sollte die Nationalmannschaft gut spielen, stünde alles bereit für ein deutsches Durchschnittsidyll. Doch halt. Eine höhere Macht hat dafür gesorgt, dass man für den Live-Kommentar im Festzelt Thomas Gsella und einige Kollegen von der „Titanic“ engagiert hat. Wie die Redakteure des Satiremagazins es mit bedachtsam gewählten Sätzen schaffen, das Gemeinschaftserlebnis in ein Hochamt des Unfriedens zu verwandeln, steht in „Blau unter Schwarzen“, Gsellas sehr zu empfehlendem neuem Buch. Locker, aber mit einiger Sorgfalt tut sie so, als folge sie den Stationen eines Schriftstellerlebens. Unnütz zu sagen, dass sie für alles, was Autobiographien sonst gerne tun, die denkbar ungeeignetste Umgebung darstellt. Wo in anderen Lebensbeschreibungen alles im Werden ist, wahlweise ruhig oder stürmisch, geht es in dieser Travestie jeglicher Entwicklungshandlung immer um einen Sinn, der sich aus der Durchbrechung kunstvoll aufgebauter Erwartungshaltungen ergibt. Die Dinge sind, wie sie sind, und sollten dringend anders gesehen werden als sonst. Ebenfalls mitgebracht hatte Gsella das noch recht frische Vorgängerbuch „Warte nur, balde dichtest du auch“. Seine „Offenbacher Anthologie“, angelegt als Parodie auf die von Marcel Reich-Ranicki herausgegebene „Frankfurter Anthologie“, klang in Gsellas Lesung noch schöner als auf Papier. Bald wieder aus dem Ohr verlieren möchte man hingegen die Gedichte, die Gsella auf einem Rostocker Lyrikfestival vernahm, auf das es ihn als Juror verschlagen hatte. Mag er nach eigenem Eingeständnis an den Stellschrauben der Handlung hier und da gedreht haben – am dichterischen Schaffen des Volkes hat er nach eigenem Bekunden nichts. Das ist tapfer. Aber Satiriker verbringen ihr Leben eben dort, wo es hart hergeht. Nicht nur im Fußball, sondern auch in der Lyrik.
Auftritt mit Rasse und Klasse
(kultur in Bonn.de)
Wer wäre besser geeignet, im Rahmen eines „festival contre le racisme“ Texte vorzulesen, als der Verfasser des Gedichtzyklus „Völker der Welt“ und ehemalige Titanic-Chefredakteur Thomas Gsella?
Der Mann kennt sich schließlich bestens aus, „drei Stunden Recherche“ reichten nach Gsellas Bekunden, um den Wesenskern diverser Völkerschaften in jeweils drei Strophen à vier Zeilen zusammenzufassen. Kostprobe aus „Der Pole“: Er nimmt es sich im Herbst, im Lenz, / im Sommer wie im Winter. / Vermißt du also Geld und Benz: / Der Pole steckt dahinter! „Soweit der erste Beitrag gegen Rassismus“, sprach der Dichter in der Kölner Aula II und legte gleich nach, gegen den Österreicher, den Italiener, und, vom überwiegend studentischen Publikum mit besonders starkem Gelächter honoriert, den Finnen. Und gerade beim Schweizer zeigte sich der Vorzug einer Lesung gegenüber der stillen häuslichen Lektüre: Versteht sich der Dichter auch auf das Rezitieren seiner Werke, gewinnt eine Wortschöpfung wie „kröächzen“ noch einiges an komischer Wirkung hinzu. Und Thomas Gsella kann tatsächlich gut vorlesen. Antirassismus muss eben auch Spaß machen.
So darf man einem, der von Kollegen und Kritikern schon zum „unehelichen Sohn Robert Gernhardts“ geadelt wurde, auch gewisse Extravaganzen zubilligen. Und ihm nachsehen, dass er vergaß, vor der Lesung sein Mobiltelefon abzustellen (Hinweis für Fans, die ihrem Idol alles nachmachen wollen: Gsellas Klingelton ist das klassische alte Telefonläuten). Sein Kommentar nach dem Blick auf die Anzeige: „Das war wohl Mutti. Die will wissen, ob’s voll ist.“ Wenn das ein einstudierter Gag gewesen sein sollte, auch gut. Es folgten Auszüge aus der kürzlich veröffentlichten „Offenbacher Anthologie“, einem satirischen Gegenstück zu Marcel Reich-Ranickis „Frankfurter Anthologie“. In ihr versammelt Gsella extra schlecht gedichtetes Zeugs von fiktiven Weltlyrikern aus der kanadischen Arktis, den afghanischen Gebirgen und anderen entlegenen Gebieten, wobei die an die Aula-Wand projizierten Porträts der vorgeblichen Dichterinnen und Dichter den komischen Effekt noch verstärkten. Verdoppelt wird die literarische Parodie dadurch, dass Gsella jedes einzelne Gedicht unter dem Namen von bekannten Autoren und Kritikern wie Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger und Iris Radisch in deren jeweiligem Stil „bespricht“.
Dass absichtlich schlechte Wortspiele großen Spaß machen können, bewies auch einer der Prosa-Texte aus dem Band „Blau unter Schwarzen“, die Gsella vortrug. Darin schildert er in der Ich-Form einen Besuch auf einer Vernissage, wo er sich an einem Sonntagmorgen unter lauter schwarzgekleideten Menschen wiederfindet und dem Wein etwas zu sehr zuspricht. Satiren auf den Kunstbetrieb und den ihm eigenen schmalen Grat zwischen dem Erhabenen und dem Lächerlichen sind zwar nicht unbedingt neu, unterhalten aber immer noch gut, wenn sie mit entsprechender Verve vorgetragen werden.
Zum guten, runden Schluss gehörte noch ein satirischer Hieb auf die Stadt, in der der Dichter an diesem Abend gastierte. Nach Schmähgedichten über Bielefeld, Dresden, Bayreuth und Offenbach war auch Köln dran, und was bietet sich bei der „Medienstadt“ mehr an, als auf Medienfuzzis einzuprügeln und all die Sender, die man nicht entfernt hat / weil halt das ganze Köln-Gesocks / nichts gelernt hat.
Stilvoll beleidigen ist eben eine Kunst; der Gsella kann und darf es. Das sah das Publikum in der Kölner Uni-Aula, das zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus jungen Leuten bestanden haben dürfte, die „irgendwas mit Medien“ machen wollen, offenbar genauso und dankte mit lang anhaltendem Beifall, klatsch, klatsch.